Expo-Gelände in Astana, Hauptstadt von Kasachstan
Expo-Gelände in Astana, Hauptstadt von Kasachstan

25 Jahre Unabhängigkeit der Republik Kasachstan: Transformation, Schlüsselprojekte und Highlight EXPO 2017

Von Svetlana Alexeeva

Für die 15 Sowjetrepubliken war der Dezember 1991 ein schicksalhafter Monat. Nach 70 Jahren hörte die Sowjetunion auf zu existieren. An ihre Stelle trat mit der Alma-Ata-Erklärung die GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten) – ein loser Staatenbund ohne Litauen, Estland und Lettland. Auch GUS-Mitglied Kasachstan war zum ersten Mal in seiner Geschichte unabhängig. Nursultan Nasarbajew, 1989 bis 1991 Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik, wurde zu seinem ersten Präsidenten gewählt. Er stand vor der Aufgabe, eine Nation aufzubauen und eine Transformation durchzuführen.

Das „sowjetische Erbe“ wog schwer: Eine Wirtschaftsstruktur, die auf Rohstoffförderung und Schwerindustrie beruhte und eine katastrophale ökologische Situation. Unter den UdSSR-Republiken gehörte Kasachstan zu den Ländern mit den größten Umweltproblemen. Seit 1949 fanden auf dem Atomtestgelände bei Semipalatinsk fast 500 Atomwaffentests statt, mit gravierenden Folgen für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen. Der Aralsee war ausgetrocknet, seine schwer kontaminierte Vozroshdenije-Insel war lange das Haupttestgelände für biologische Waffen.

Am 16. Dezember 2016 feierte die Republik Kasachstan 25 Jahre Unabhängigkeit. Im Vorfeld luden die Regierung und das Parlament zu einer internationalen Konferenz in die Hauptstadt Astana ein. Zwischenbilanz und Visionen für die Zukunft waren die Hauptthemen. Der flächenmäßig neuntgrößte Staat der Erde hat 17,7 Millionen Einwohner und ist mit 184 Milliarden Dollar (Bruttoinlandsprodukt, 2015) die größte Volkswirtschaft in Zentralasien. Im Jahr 2015 ist Kasachstan der Welthandelsorganisation (WTO) beigetreten und hat die Eurasische Wirtschaftsunion gegründet, zusammen mit Russland und Weißrussland. Im „Doing Business 2017“ der Weltbank belegt Kasachstan Platz 35 von 190 Ländern. Im „Global Competitiveness Index“ nimmt es Rang 53 von 138 Staaten ein – die anderen eurasischen Länder schneiden schlecher ab. Im E-Government Survey 2016 der UNO kommt es auf Platz 33 von 193.

Der Transformationsfortschritt, den die regelmäßig besseren Rankings belegen, hat mit der konsequent strategischen Ausrichtung zu tun. 2010 wurde der Entwicklungsplan „Kasachstan 2020“ beschlossen. Danach sollte Kasachstan bis 2020 zu den 50 führenden Wirtschaftsnationen der Welt gehören. Als die Zielmarke früher als geplant erreicht wurde, hat Präsident Nasarbajew 2013 ein neues Strategiepapier „Kasachstan 2050“ vorgelegt. Ziel ist nunmehr, Kasachstan bis 2050 unter die 30 weltweit führenden Länder zu bringen. Der nationale Plan „100 Schritte“ gibt den Takt für die vom Präsidenten verkündeten Reformen vor. Man will das Geschäftsklima verbessern, das Korruptionsproblem in den Griff bekommen und eine neue Industrialisierung Kasachstans starten, denn die Rohstoffe sind endlich und die Weltmarktpreise schwankend. Energieeffizienz ist ebenfalls ein Thema, hier will man gern von Deutschland lernen.

Deutschlands wichtigster Handelspartner in Zentralasien

Mit der Bundesrepublik unterhält Kasachstan, ihr wichtigster Handelspartner in Zentralasien, seit 1992 diplomatische Beziehungen. Im Jahr 2015 hat Deutschland Güter (Erdöl, chemische Produkte, Eisen- und Stahlerzeugnisse) im Wert von 2,8 Milliarden Euro aus Kasachstan importiert. Im Gegenzug wurden traditionelle deutsche Exportgüter (Maschinen, Anlagen, elektrische Ausrüstungen, Autos) im Wert von 1,2 Milliarden Euro geliefert. Dass das Handelsvolumen geringer als im Vorjahr ausfiel, hat zwei wesentliche Gründe: Die Schwäche der Nationalwährung Tenge und Hermes-Deckungen. Die Exportkreditgarantien stehen aktuell nur eingeschränkt zur Verfügung, was den bilateralen Handel unnötig belastet. „Eine „Schattenseite der sonst fruchtbaren Zusammenarbeit im gegenseitigen Interesse“, nennt das Gernot Erler, Beauftragter der Bundesregierung für Russland und Zentralasien. Die kasachisch-deutsche Regierungsvereinbarung über eine Partnerschaft im Rohstoff-, Industrie- und Technologiebereich von 2012 sei dagegen ein Beleg für den Wunsch, komplementäre Kompetenzen zusammenlegen zu wollen.

Es gibt diverse Formate deutsch-kasachischer Zusammenarbeit: Delegation der deutschen Wirtschaft für Zentralasien in Almaty, Deutsch-Kasachischer Wirtschaftsrat, Berliner Eurasischer Klub, die bilaterale Regierungsarbeitsgruppe Wirtschaft und Handel (RAG). Seit zehn Jahren existiert das Managerfortbildungsprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums. Es gibt eine Deutsch-Kasachische Universität (DKU) in Almaty und einen regen Austausch im Kultur- und Hochschulbereich. Das deutsche Modell der Dualausbildung findet in Kasachstan großen Zuspruch, betont Roman Vassilenko, Vize-Außenminister der Republik Kasachstan. Ein Rohstoffanhängsel zu sein ist keine Option. Man will Innovationen und Bildung fördern.

Kasachstan auf der Weltbühne

Blickt man nun weiter auf die Weltbühne, so fällt auf, dass Kasachstan auch hier souverän agiert, zum Beispiel in der CICA (Conference on Interaction and Confidence Building Measures in Asia), OVKS (Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit), OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa). Ab 2017 ist es als nichtständiges Mitglied in den UNO-Sicherheitsrat gewählt und will in jedem Fall einen Fußabdruck auf dem Gebiet der „Friedensdiplomatie“ hinterlassen. Dass die Türkei und Russland die kasachische Hauptstadt Astana als Ort für Gespräche zwischen Vertretern der syrischen Opposition und der syrischen Regierung im Januar 2017 vorschlagen, ist dem diplomatischen Geschick von Präsident Nasarbajew zu verdanken.

Eurasische Wirtschaftsunion und China-Link

Die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) nimmt unter allen Initiativen Kasachstans eine besondere Stellung ein. Präsident Nasarbajew befördert die EAWU seit Jahren, weil es als Mittel gesehen wird, das Land unter den Bedingungen eines verschärften globalen Wettbewerbs zwischen den regionalen Blöcken und multinationalen Unternehmen zu stärken. Auch Russland setzt sich zuletzt sehr für die EAWU ein. Präsident Putin schlug auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg 2016 einen „allumfassenden Handels- und Wirtschaftsraum in Eurasien unter Beteiligung der EAWU und Chinas“ vor.

Doch schnelle Verträge zwischen der Union und China sind noch lange nicht in Sicht. Die ostasiatische Stoßrichtung der EAWU, deren originäres Vorbild die EU war, entwickelt sich eher zäh, zu unterschiedlich sind die Ziele. Zudem muss die EAWU, so scheint es, erst ihre Hausaufgaben tun, um für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt attraktiv genug zu sein. Dass der Zollunion-Kodex bis Jahresende unterzeichnet werden soll, ist ein wichtiges Signal. Als Nächstes wären die Anträge auf Freihandel dran: Je mehr Länder am Freihandel mit der EAWU beteiligt sind, desto besser für ihr Gewicht. Nach Aussagen des aktuellen EAWU-Vorsitzenden Nursultan Nasarbajew haben rund 40 Länder (darunter Südkorea, China, Indien, Pakistan, Iran, Türkei) den Wunsch auf Freihandel mit der Union geäußert. Freihandelsabkommen bestehen bereits mit Ägypten und Vietnam, Palästina wurden Handelspräferenzen eingeräumt.

Nachteilig für die Attraktivität der EAWU ist auch die Rohstoffabhängigkeit ihrer Mitgliedsstaaten Russland und Kasachstan. Da eine lang proklamierte Diversifizierung ausbleibt, trifft sie der Ölpreisverfall besonders stark. Hier wird eine plausible Antikrisenstrategie gebraucht, die Wachstumsquellen aufzeigt, Das könnte das Vertrauen fördern und das Investorengeld anlocken. Kasachstan sollte hier sein innovatives Industrieprogramm forcieren und mit der Privatisierung fortfahren.

Solange eine Neuausrichtung der EAWU ausbleibt, ist man darauf angewiesen, nur Nebenpart in Chinas globalen Infrastrukturprojekt der „Seidenstraßen“ (“One Belt, One Road“-Initiative) zu spielen. Deshalb versucht Kasachstan, wenigstens seine Trümpfe – den Rohstoffreichtum und die geostrategisch wichtige Lage – geschickt einzusetzen. Das kürzlich von der kasachischen Führung ins Leben gerufene Astana International Financial Centre („AIFC“) ist ebenso strategisch gedacht. Peter Tils, CEO MOE Deutsche Bank AG, hält das AIFC als „der Hub Zentralasiens“ für eine gute Idee, um lokale Investments zu finanzieren, „vorausgesetzt, es wird ausreichend Eigenkapital bereitgestellt, woran auch wir uns beteiligen sollten“.

Höhepunkt EXPO 2017 – Post-EXPO

Ab 1. Januar 2018 wird das AIFC aufs Messegelände in Astana einziehen. Zuvor findet hier vom 10. Juni bis zum 10. September 2017 die Weltausstellung EXPO mit dem Leitthema „Future Energy“ statt. 111 Länder haben bisher ihre Teilnahme bestätigt. Für Kasachstan ist die EXPO 2017 ein Highlight, das aufwändig vorbereitet wird. Die Landesgesellschaft Astana EXPO-2017 geht von fünf Millionen Besuchern aus.

Nach 25 Jahren Unabhängigkeit Kasachstan mit Recht auf eine beeindruckende Bilanz blicken. Der Erfolg, besonders bei regionalen Integrationsinitiativen, liegt in der Erkenntnis, dass Reaktionsmöglichkeiten eines Nationalstaates heute nicht mehr ausreichen. Nur gemeinsam erreicht man eine höhere Reichweite. Kasachstans inklusive und dezidiert ausgewogene Art der Außenpolitik kann hier durchaus Vorbild für andere sein.

Autorin:
Svetlana Alexeeva
Dipl.-Phil., Dipl.-Kffr., DIGITAL INSIGHT
ist unabhängige Expertin für Digitalisierung, Internetpolitik, E-Government und Country-Consultant (Fokus: Russland)
Svetlana.Alexeeva@digital-insight.de

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