Der Tempel von Castor und Pollux in Agrigento, Sizilien
Der Tempel von Castor und Pollux in Agrigento

Agrigento auf Sizilien: Das Tal der Tempel und seine zeitlose Magie


Von Svetlana Alexeeva

 

Weshalb sollte man Agrigento an der sizilianischen Südküste besuchen? Etwa wegen der vermuteten Authentizität, die einer Provinzhauptstadt innewohnt, in der sich das „echte Sizilien“ entdecken lässt? Gerade dieses Provinzhafte war es, das mir in den wenigen Tagen meines Aufenthalts am stärksten auffiel: ein gemächlich atmendes Städtchen, dessen Häuser sich an den Hang schmiegen, mit einem Lebensrhythmus, der einen Hauch von schläfriger Gleichförmigkeit trägt, unterbrochen lediglich von Touristen, die in der zentralen, krumm verlaufenden Straße Lokale und Bars zum Einkehren aufsuchen. Doch nein – es ist nicht die Stadt, die den Besucher herlockt. Es sind die Tempel. Das Tal der Tempel, das in Wahrheit ein ausgedehnter, karger Hügelrücken aus honigfarbenem Kalkstein unterhalb von Agrigento ist, der sanft zum Meer hin abfällt. Hie und da stehen, verstreut wie zufällig hingeworfene Gedanken, Mandel- und Olivenbäume, dazu das endlose Blau, das seit Jahrtausenden über all dies wacht.

Hier erhebt sich die berühmte Tempelanlage, errichtet auf einem Felsen von griechischen Siedlern, als diese vor mehr als 2.500 Jahren Sizilien besiedelten. Heute gehört sie zum UNESCO-Weltkulturerbe und ist eines der bedeutendsten Zeugnisse antiker griechischer Zivilisation im gesamten Mittelmeerraum. Die Tempel, und es gibt hier mehrere, dazu sogar eine Nekropole – die „Totenstadt", wie die Griechen sie nannten – sind von einer derart majestätischen Würde, die selbst den unvorbereiteten Besucher augenblicklich erfasst. Der Tempio della Concordia ragt unter ihnen heraus. Nicht allein wegen seines Alters, sondern weil er einer der am besten erhaltenen Tempel der gesamten Magna Graecia ist. Bis ins 17. Jahrhundert diente der Concordia-Tempel als christliche Basilika – ein glücklicher Umstand, der ihn vor Zerstörung bewahrte, und seinen heutigen, außergewöhnlich guten Zustand erklärt.

Der Concordia-Tempel
Der majestätische Concordia-Tempel

Es ist ein wahres Meisterwerk der Antike, allein schon wegen der präzisen Ausführung. Vollkommen, die klassischen Proportionen des Säulenumgangs: die Säulen, sechs an den Quer- und dreizehn an den Längsseiten, aus hellem Kalkstein mit Stucküberzug, der einst marmorartig schimmerte, und farbig gefasst – weiß unten, darüber lebhafte Rot- und Blautöne an Friesen und Giebeln. Es ist Architektur, die wirkt, als schwebe sie zwischen Himmel und Erde, ähnlich einem Gemälde aus klassizistisch-romantischer Zeit.

Doch was macht diese Magie bloß aus? Ist es die freistehende Lage auf einer Anhöhe, gut sichtbar von allen Seiten, mit Blick auf das azurblaue Meer und die karge Landschaft? Oder ist es das südliche Licht, das bei Sonnenuntergang die ockerfarbenen Felsen in goldenes Leuchten taucht und die Silhouette der Tempel gegen den Horizont scharf zeichnet, als hielte die Zeit hier inne?

Es lässt sich nie ganz begreifen. Das ist ein Geheimnis, und es wird eines bleiben. Und gerade in dieser Unfassbarkeit liegt wohl die tiefere Bedeutung dessen, was man Ewige Architektur nennt.


 

Bilder: © Svetlana Alexeeva

Kontakt zur Autorin: Svetlana.Alexeeva@digital-insight.de

2025-12-04


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