Eberhard Sandschneider

„Asien wartet nicht auf Europa“

Von Rainer Schubert

Gerne wird davon gesprochen, dass die Welt aus den Fugen sei. Eberhard Sandschneider hielt dagegen ein Zitat des Bundestagspräsidenten Dr. Norbert Lammert, ausgesprochen auf der diesjährigen Münchener Sicherheitskonferenz, wonach jede Generation eine Welt aus den Fugen erlebt habe. Soll heißen: es gilt zu relativieren. Genau dafür wollte der Leiter des Arbeitsschwerpunktes Politik Chinas und Ostasiens am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der FU Berlin das Bewusstsein schärfen: „Mit welchen Augen schaut Asien auf die westliche Welt?“

Mächte kommen und gehen

Schwierige Zeiten empfinden die Europäer. Nabelschau, aus asiatischer Sicht. Nicht Brexit oder „America first“ heißen dort die Prioritäten. Im größten Land des Fernen Osten verfolgt man eigene Prioritäten. Doch man posaunt sie nicht als „China first“ hinaus, sondern Xi Jinping, Staatspräsident, Generalsekretär der KP und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission, verheißt den „chinesischen Traum“. Das bedeutet: anknüpfen an die alte Größer des Reichs der Mitte von vor über 550 Jahren, als man dort schon Schießpulver, Papier, Porzellan und Kartographie kannte. Globale Risiken, so Sandschneider beim Foreign Policy Business Lunch des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) am 21. März im Berlin Capital Club, ergeben sich bei geopolitischen Veränderungen und heute zudem durch die Digitalisierung. Die Überlegenheit des Westens, an die er selbst noch immer glaubt, sei absehbar. Sandschneider, von 2003 bis 2016 Otto Wolff-Direktor des Forschungsinstituts der DGAP, erinnerte an das Kommen und Gehen geopolitischer Akteure und nannte beispielhaft die vergangene Größe Portugals, der Niederlande oder der italienischen Stadtrepubliken, die Geschichte ist.

China setzt auf eigene Initiativen

China definiere Macht nicht über Panzer, sondern durch Wissen. Dazu kaufe man Unternehmen im Westen, und, gab das Mitglied des B&D-Redaktionsbeirates zu bedenken, den von China erworbenen Unternehmen, gehe es seit ihrer Übernahme besser. Man kauft Diversifizierung. Den Aufstieg in Fernost beflügelt zudem die überwiegend junge, aufstrebende Bevölkerung. Politische Initiativen flankieren den Erfolg Chinas, z.B. durch das Programm der neuen Seidenstraße „One Belt One Road“: Strukturpolitik statt Sicherheitspolitik. China werde so die zentrale Macht Eurasiens, nicht Russland. Und China warte nicht auf eine Europäische Union, die mit einer Stimme spricht, sondern richte sich nach eigenen Interessen. Seit 2012 gibt es die kurz 16 + 1 genannte Gesprächsplattform China – CEEC. Ihr voller Name: Cooperation between China and Central and Eastern European Countries. Diese jährlich tagende chinesische Initiative aus elf EU-Mitgliedern Mittel- und Osteuropas und fünf Balkanländern, die nicht der EU angehören, traf sich zuletzt im November 2016 in Riga, mit einem Auftritt von niemand Geringerem als Chinas Premier Li Keqiang.

Der Westen könne durchaus stolz sein auf seine Werte, doch sie finden ihre Grenze an den Werten Chinas, die man hier nicht verstehe, mahnte Sandschneider, der in China studiert hat. So vollziehe sich Partizipation nicht durch Wahlen, sie verändern nichts. Die eigene Philosophie und Geschichte Chinas und Asiens führen zu einem eigenen, anderen Selbstbewusstsein. Fazit: „Asien wartet nicht auf Europa“.

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