Die Kanarischen Inseln sind ein Traum aus Sonne und Meer – zu jeder Jahreszeit. Kein Wunder, dass sie als „Inseln des ewigen Frühlings“ gepriesen werden, ein ultimativer Zufluchtsort für sonnenhungrige Europäer, die dem grauen Winter entfliehen wollen. Von Dezember bis März herrscht hier Hochsaison. Was vielen nicht bewusst ist: Auch im Sommer sind die Kanaren dank einer stetigen Atlantikbrise eine gute Alternative zur oft drückenden Hitze des Mittelmeerraums.
Der Archipel ist das Ergebnis gewaltiger submariner Vulkanausbrüche. Dadurch wurde zunächst der Inselsockel von Lanzarote und Fuerteventura geformt, von dem aus sich die beiden Inseln vor rund 25 Millionen Jahren aus dem Meer erhoben. Da sie dasselbe Unterwasserplateau teilen, ist das Wasser zwischen ihnen nur 80 Meter tief – vor den anderen Kanaren fällt der Atlantik bereits in 500 Metern Entfernung auf schwindelerregende 2.000 Meter ab. Jede der sieben Hauptinseln – Lanzarote, Fuerteventura, Gran Canaria, Teneriffa, La Palma, La Gomera und El Hierro – hat ihren eigenen Charakter. Doch Lanzarote ist zweifellos die „vulkanischste“ von allen.
Eine spektakuläre Vulkanlandschaft, die Kunst César Manriques und Wein, der aus Lavaböden wächst – das ist Lanzarote. Wer hier ankommt, hält erst ungläubig inne: Wohin der Blick auch schweift, eine surreale Mondlandschaft, erstarrte, schwarze, violett-rötlich und gelb leuchtende Lavaströme. Etwa 300 Krater von etwa 100 Vulkanen bedecken fast ein Viertel der Insel. Dieses Terrain um die Montañas del Fuego, die Feuerberge, gehört heute zum Nationalpark Timanfaya. Geformt durch Eruptionen zwischen 1730 und 1736, geht von diesem Lavameer eine unglaubliche Faszination aus. Hollywood nutzt die Kulisse für Science-Fiction-Filme, die NASA als Trainingsgelände für Astronauten.
César Manrique – Künstler, Bildhauer und Architekt – hat die Insel geprägt wie kein Zweiter. Seine architektonischen Experimente, etwa in den Vulkanblasen oder im Timanfaya-Nationalpark begegnen einem auf jeder Rundfahrt. Und diese ist auf der Insel – 70 Kilometer lang, 27 Kilometer breit – leicht gemacht. Ihr höchster Punkt ist gerade mal 671 Meter – ein Zeichen des hohen Alters. Die jüngeren Kanareninseln ragen weitaus höher in den Himmel: Gran Canaria mit Gipfeln über 2.000 Metern, geschweige denn Teneriffa mit dem majestätischen Teide, Spaniens höchstem Berg (3.715 Meter).
Minimalismus und Rustikalität – so lässt sich der Stil von Manriques umschreiben. Doch es sind nicht nur seine Kunstwerke, sondern auch seine Persönlichkeit, die wie ein Magnet auf Menschen wirken. Eine Symbiose aus Natur, Kunst und Architektur – das war Manriques „Utopie“. Die ihrer Zeit voraus war: Tourismus und Umwelt im Einklang – heute klingt das selbstverständlich, doch in den 1970er-Jahren war Nachhaltigkeit noch kein Trend. Doch Manrique allein hätte die Insel nicht in diesem Maße verändert. Die Weichen stellte José Ramírez Cerdá, Präsident des Cabildo (Inselregierung) von Lanzarote zwischen 1960 und 1974. In den 1960er-Jahren war Lanzarote eine karge Insel, wirtschaftlich abgehängt. Das touristische Potenzial schien mau – anders als auf Teneriffa oder Gran Canaria.
Doch Ramírez hatte eine radikale Idee. 1966 holte er seinen alten Schulfreund Manrique aus New York zurück. Gemeinsam entwickelten sie ein Modell für nachhaltigen Tourismus. Ramírez sorgte für politische Flankierung, Manrique lieferte die kreative Vision. Das Ergebnis war verblüffend: Jameos del Agua, der Kaktusgarten, das Monumento al Campesino, das Restaurant El Diablo, die Vulkanroute in Timanfaya, der Mirador del Río und das Museum für zeitgenössische Kunst in Arrecife. 1974 sicherte Ramírez den Nationalpark-Status für Timanfaya – eine seiner letzten Errungenschaften. 1987 starb er, fünf Jahre später kam Manrique durch einen Autounfall ums Leben. Lanzarote trägt bis heute seinen Stempel. Seine Kunst ist so omnipräsent, dass junge Künstler Mühe haben, sich aus seinem übermächtigen Schatten zu lösen.
Um ein Gefühl für Manriques Stil zu bekommen, empfiehlt sich eine Spritztour in den Nordosten der Insel, wo sein erstes und letztes Werk – Jameos del Agua und der Kaktusgarten – zu besichtigen sind. Bei den Jameos del Agua (1969) verwandelte Manrique natürliche Vulkanblasen samt eines unterirdischen Sees in einen einzigartigen Kunstraum. Das dazugehörige Auditorium dient heute als Bühne für Aufführungen. Der poröse Vulkanstein sorgt für Top-Akustik: Ob kanarische Musik oder Heavy Metal – die Events sind stets ausverkauft. Im Jardín de Cactus (1991) bei Guatiza weiter südlich gedeihen inmitten karger Landschaft rund 4.500 Kakteen aus 500 Arten. Guatiza selbst ist bekannt für Kaktusplantagen zur Koschenillenzucht. Aus dieser kleinen Laus, die auf Kaktusblättern lebt, wird seit jeher der natürliche Farbstoff Karmin gewonnen.
Lanzarote ist ohne seine geologische Geschichte nicht zu fassen. Die aktuelle Vulkanismusphase begann vor rund 3.000 Jahren – und ist noch nicht zu Ende. Der Nationalpark Timanfaya mit den Montañas del Fuego ist dessen Zeuge und ein Highlight jeder Lanzarote-Reise. Schon an der Einfahrt zum Park begrüßt Besucher El Diablo, die von César Manrique geschaffene Teufelsfigur, die als Wahrzeichen Lanzarotes gilt. Das riesige Lavagebiet entstand infolge gewaltiger Eruptionen, die Lanzarote von 1730 an sechs Jahre lang erschütterten. Immer wieder quoll unter ohrenbetäubendem Getöse glühend heiße Lava aus den Tiefen hervor und verschlang alles auf ihrem Weg – fruchtbares Land, Dörfer, Vieh. Giftige Gase verpesteten die Luft, feine Lavaasche reizte Augen und Lungen, eine Hungersnot brach aus, Wer konnte, floh – viele auf die Nachbarinseln. Die Regierung war gezwungen, ein Auswanderungsverbot zu verhängen, um die Insel nicht völlig zu entvölkern.
Heute ist das fragile Ökosystem von Timanfaya ein streng geschützter Nationalpark. Die Anfahrt in den Südwesten der Insel ist mit dem Auto über Yaiza oder Mancha Blanca möglich. Am Besucherzentrum steigt man in den Parkbus um, der die Vulkanroute befährt – eine spektakuläre Panoramastraße, die sich durch eine surreale Landschaft aus Kratern, Schlackenkegeln und offenen Vulkanschloten windet. Wandern auf eigene Faust ist verboten, warnt der lokale Guide David: „Der Boden hier gleicht einem Schweizer Käse, voller unterirdischer Lavablasen.“ Es sei lebensgefährlich: Ein falscher Schritt, und der Boden kann einbrechen.
Die Erde brodelt hier noch immer: Nur vier Meter unter der Oberfläche herrschen 400 Grad Celsius, in zwölf Metern Tiefe sogar 600 Grad. Wie stark die Vulkanaktivität noch ist, zeigt sich am Islote de Hilario, einem Vulkanschlot nahe des Besucherzentrums, in den hier gebotenen thermodynamischen Vorführungen. Wird ein Eimer Wasser in ein Erdrohr gegossen, schießt binnen Sekunden eine Dampffontäne mit hohem Druck zurück nach oben. Ein trockener Grasbusch, in eine Erdspalte geworfen, fängt in Sekunden Feuer. Ein kulinarisches Erlebnis bietet das Restaurant El Diablo, wo mit der Glut des Vulkans gegrillt wird. Manrique entwarf das kreisrunde, verglaste Gebäude 1970 – mit einem atemberaubenden Panoramablick über die rotbraun schimmernde Kraterlandschaft, die regelrecht Ehrfurcht weckt.
Wer Vulkane auf eigene Faust erkunden möchte, sollte die Wanderroute um den Vulkan El Cuervo, den „Rabenvulkan“, nicht verpassen. Der 2,3 Kilometer lange Weg führt in den 388 Meter hohen Krater und ist auch für Familien gut geeignet. Der Abstieg ins Innere des Kraters ist ein aufregendes Erlebnis. Nur eine Bitte: So verlockend es sein mag, ein Andenken mitzunehmen – lassen Sie die Vulkansteine dort, wo sie hingehören.
Die emblematische Kulisse von Timanfaya lässt sich auch anders erleben. Jedes Jahr Anfang Juni, zum Weltumwelttag, verwandelt sich die Region La Geria in eine Bühne für das Festival Sonidos Líquidos. Während die Sonne hinter den Vulkanen versinkt, füllen rockige Klänge die warme Abendluft. Es ist mehr als nur Musik, sondern auch ein nachhaltiges Event, bei dem Besucher köstliche regionale Spezialitäten und die berühmten Vulkanweine Lanzarotes probieren können. Denn La Geria ist das wichtigste Weinanbaugebiet der Insel – und das am Rande des Nationalparks. Der Vulkanausbruch von Timanfaya begann 1730 nur wenige Kilometer entfernt, an der Caldera de los Cuervos. Durchquert man diese Landschaft auf der Weinstraße, mutet der Anblick grün aufleuchtender Weinberge im schwarzen Lavameer surreal an.
Hier gedeiht Wein unter extremen Bedingungen. Regen ist selten – nur etwa 35 Tage im Jahr, wegen der nahen Sahara. Zwar bringen die Passatwinde Feuchtigkeit, doch regnen sie auf der flachen Insel kaum ab. Die Lösung liegt im Boden: Lapilli, feine Vulkanasche, speichert über Nacht Feuchtigkeit aus der Luft und versorgt die Pflanzen mit Wasser. Um diesen Umstand optimal zu nutzen, haben die Winzer eine spezielle Anbautechnik entwickelt. Sie graben halbrunde Mulden in die Lapilli-Schicht, damit die Rebstöcke die fruchtbare Erde erreichen und vor Meereswinden geschützt sind. Maschinen sind hier nutzlos – wegen der Anordnung der Weinberge erfolgt der Weinanbau bis heute in Handarbeit. Viele Bodegas bieten Führungen an und gewähren Einblicke in ihre Weinkeller. Für Weinliebhaber ist die Weinkelterei El Grifo mit ihrem Weinmuseum einfach ein Muss. Gegründet 1775 ist sie nicht nur die älteste Bodega der Kanaren, sondern auch eine der zehn ältesten in ganz Spanien.
Der krönende Abschluss? Eine Verkostung, bei der sich die Essenz des Vulkanweins entfaltet – komplex, mineralisch, mit würzigen oder floralen Noten. Viele lokale Weine – Markierung: Denominación de Origen (D.O.) Lanzarote – sind international preisgekrönt. Die Weißweine werden aus autochthonen Rebsorten wie Malvasía Volcánica, Listán Blanco, Diego und Moscatel gekeltert, die meisten Rotweine aus Listán Negro und Baboso Negro. Wer gern Neues ausprobiert, kann sich in der Finca Testeina auf eine „synästhetische Blind-Degustation“ einlassen – Bio-Weingenuss, begleitet von eigens komponierten Melodien. Jeder Schluck schmeckt wie flüssige Vulkanlandschaft.
Genau das ist Lanzarote. Timanfaya erzählt mit seinen surrealen Feuerbergen von den Urkräften der Erde, die tief in ihrem Inneren brodeln. César Manrique hat mit seiner Kunst bewiesen, dass Mensch und Natur im Einklang leben können. Und der Vulkanwein fängt all das ein – die Sonne, die Kargheit, die Asche, die ungezähmte Schönheit dieser Insel. Lanzarote ist mehr als ein Ort. Es ist ein Gefühl.
Diese Reise wurde unterstützt vom Spanischen Fremdenverkehrsamt (Turespaña) und Lanzarote Convention Bureau.
Kontakt zur Autorin: Svetlana.Alexeeva@digital-insight.de
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