Partnerland der diesjährigen Berliner Sicherheitskonferenz ist Schweden. Die Botschafterin des Königreichs, Veronika Wand-Danielsson, seit Ende September 2023 in Berlin im Amt, bringt viel europa- und sicherheitspolitische Erfahrung mit. Von 2007 bis 2014 war sie schwedische Botschafterin und Leiterin der Mission bei der NATO und anschließend sechs Jahre Botschafterin in Paris. Vor ihrer Versetzung nach Berlin leitete sie die Amerika- und danach die Europa-Nordamerika-Abteilung im Stockholmer Außenministerium. BUSINESS & DIPLOMACY sprach mit ihr über Schwedens Sicherheitspolitik.
Als ich vor zwei Jahren in Berlin ankam, war ich nicht darauf eingestellt, dass sich so vieles so schnell verändern würde. Es gab die deutsche Zeitenwende, und wir hatten unsere schwedische Zeitenwende mit dem NATO-Beitritt. Schweden war, als ich in Berlin meine Arbeit aufnahm, noch kein NATO-Mitglied. Es galt, an die deutsche Unterstützung für den Nato-Beitritt zu appellieren, denn es gab immer noch das Veto durch Ungarn und die Türkei. Wir waren und sind an einem stark aufgestellten Deutschland interessiert, sahen aber mit Erstaunen eine fragile Ampel-Koalition.
Es war eine phantastische Zeitenwende-Rede, die Bundeskanzler Scholz hielt. Doch man merkt jetzt, dass diese Zeitenwende nicht selbstverständlich ist. Wir haben in Schweden unsere eigenen sicherheitspolitischen Konsequenzen gezogen. Für uns war es klar, alles Militärische zu tun, um die Ukraine zu unterstützen. Wir hatten keine roten Linien und haben sie auch heute noch nicht.
Für uns gab es keine andere Wahl als diesen Schritt des Beitritts. Wir sind noch immer mit dem Ausbau der schwedischen Streitkräfte beschäftigt, die Wehrpflicht wird weiter ausgebaut, wir erweitern unsere militärischen Fähigkeiten durch neue Systeme in der Marine, der Luftwaffe und den Territorialkräften.
Für Schweden war unsere eigene Zeitenwende nach über 200 Jahren Allianzfreiheit ein großer Schritt, als eine Konsequenz des Krieges Russlands gegen die Ukraine. Wir waren mit Finnland die Ausnahme im Norden. Der NATO-Beitritt ist eine unmittelbare Konsequenz des Ukraine-Überfalls durch Putin.
Für uns und die anderen NB8-Länder (Anm.: NB8 = die acht Länder Nordeuropas und des Baltikums Litauen, Lettland, Estland, Polen, Finnland, Schweden, Dänemark, Norwegen) ist es wichtig zu sehen, dass Deutschland ein starkes Land bleibt und sich voll engagiert, um die Probleme gemeinsam zu lösen, ob es die Ostsee anbelangt, Russland, die Unterstützung der Ukraine oder Gaza, woher es jetzt ja gute Nachrichten gibt und wir hoffen, dass wir wenigstens in einer Region der Welt Hoffnung schöpfen können.
Alle Parteien, außer vielleicht Teile der Linkspartei, sehen Russland als eine Bedrohung. Diese Bedrohungslage hat uns geeint im Parlament. Der Antrag zum NATO-Beitritt kam von einer sozialdemokratischen Regierung, wurde aber abgestimmt unter einer bürgerlichen. Unsicherheiten zwischen den Parteien schafft auch Unsicherheit in der Bevölkerung.
Wir haben 91 Prozent Unterstützung in der schwedischen Bevölkerung für die Unterstützung der Ukraine, das ist der höchste Wert in Europa. Dabei haben wir dieselben Probleme wie in Deutschland: Gesundheits- und Bildungswesen verlangen mehr Geld. Aber die Bevölkerung ist bereit, sich zur Unterstützung der Ukraine einzuschränken. Im schwedischen Fernsehen wird dieser Krieg viel mehr erklärt. Das Engagement der Bevölkerung wird aufrechterhalten.
600 Jahre lang war Finnland ein Teil von Schweden und fiel im Großen Nordischen dann in die Hände Russlands. Dass Russland immer Großmachtansprüche hatte, ist also nichts Neues. Die Gefahr Russlands, der Zweite Weltkrieg, die Teilung Europas ist Teil der gemeinsamen Geschichte mit Finnland. Das hat natürlich das Bewusstsein der Schweden geprägt. Schon früher gingen vier Prozent des schwedischen Haushalts in die Verteidigung. Wir mussten zeigen, verteidigungsfähig zu sein und haben eine eigene Verteidigungsindustrie aufgebaut. Die Resilienz ist Teil des Alltags geworden. Hybride Angriffe können Schweden nicht beeinflussen.
Wir sind ein verhältnismäßig reiches Land, und wir sind unabhängig in der Energieversorgung. Weil es uns gutgeht, hilft man auch anderen. Das ist eine Grundeinstellung. Ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts geht in die Entwicklungshilfe. Jetzt helfen wir der Ukraine. Weil wir wohlhabend sind, haben wir eine Pflicht.
Mit 37 Prozent des Bruttoinlandsprodukts haben wir keine hohe Verschuldung. Aufgrund der besonderen Bedrohungslage wird die finanzielle Belastung akzeptiert?
Man kann als Partnerland den Inhalt der Konferenz gestalten. Unsere Ambition und Hoffnung sind, dass man ein Bewusstsein dafür wecken kann, dass wir nach 200 Jahren Bündnisfreiheit jetzt NATO-Mitglied sind. Wir wollen auf das Resilienz-Bedürfnis aufmerksam machen, ein anderes Bewusstsein schaffen, was die Unterstützung der Ukraine anbelangt, um ein realistischeres Bild von Russland zu bekommen. In Deutschland gibt es immer noch Diskussionen, für mehr Dialog, statt Aufrüstung. Unsere eigene Erfahrung und der anderen NB8-Länder ist, aus einer Stärkeposition verhandeln zu müssen. Dazu muss man aufrüsten. Wir agieren dabei in einer verantwortungsvollen Art und Weise. Der Bevölkerung machen wir verständlich, dass es der Aufrüstung und Wehrpflicht bedarf, für Frauen und Männer. Verteidigung soll man wertschätzen und verstehen. In Schweden haben wir zwei Verteidigungsminister, für die Militär- und für die Zivilverteidigung. Der Sinn ist, dass sich die Streitkräfte auf die externe Verteidigung konzentrieren können. Die zivile Verteidigung, wie z. B. Polizei und Küstenwache, ist für die innere Sicherheit verantwortlich.
Interview: Rainer Schubert
2025-10-31


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