Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin
Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin

Dauerbrenner seit zehn Jahren: Richard III. an der Schaubühne

Die Schaubühne am Lehniner Platz feiert in diesen Tagen ein besonderes Jubiläum in ihrem Repertoire: Thomas Ostermeiers Inszenierung von Richard III. wird zehn Jahre alt und und zieht nach wie vor ungebrochen Theaterbegeisterte in ihren Bann. Seit der Premiere am 7. Februar 2015 gab es wohl keine Vorstellung, die nicht ausverkauft war – ein erstaunlicher Erfolg in einer Stadt wie Berlin mit ihrem reichhaltigen Kulturangebot. Doch eines steht fest: Dieses Stück hat eine ganz eigene Sogwirkung.

Von Svetlana Alexeeva

21.01.2025

 

Was macht diese Aufführung so außergewöhnlich, dass sie auch ein Jahrzehnt später die Zuschauermassen begeistert? Liegt es am Stoff – Shakespeares Historiendrama, das sich bereits im England des späten 16. Jahrhunderts großer Beliebtheit erfreute und von Marius von Mayenburg in eine moderne, zugängliche Fassung gebracht wurde? Oder an der unverkennbaren Handschrift des Hausregisseurs Thomas Ostermeier, der seit 1999 als künstlerischer Leiter der Schaubühne agiert und zu den bedeutendsten Theatermachern der Gegenwart zählt? Oder sind es die Darsteller, allen voran Lars Eidinger, der als manipulativer, von Macht besessener Richard in der Titelrolle brilliert? Vermutlich ist es das Zusammenspiel all dieser Gründe, das Theaterliebhaber in seinen Bann zieht. Allen anfänglichen Kritiken an übertriebenem Glamour und fehlender Tiefenschärfe zum Trotz wird Richard III. unbeirrt weiterempfohlen – und hat sich im Verlauf der Jahre zu einem echten Theaterphänomen entwickelt.

Die Aufführung, gut zweieinhalb Stunden ohne Pause, widmet sich dem Aufstieg und Fall von Richard, Herzog von Gloucester, vor dem Hintergrund der Rosenkriege zwischen den Häusern York und Lancaster im England des späten Mittelalters. Auf der Bühne begegnen wir Mitgliedern der Königsfamilien, zahlreichen Adeligen, Geistlichen und Gefolge. Doch im Zentrum der Handlung steht Richard, der sich im Krieg gegen das Haus Lancaster als Held hervorgetan hat und insgeheim davon träumt, selbst König zu werden.

Lars Eidinger, © Arno Declair
Lars Eidinger, © Arno Declair

Der Frieden bringt ihm keine Ruhe – zu tief sitzt sein Hass auf eine Welt, die ihn für seine äußeren und inneren Narben verachtet. Mit einer Mischung aus List, Verrat und Mord räumt Richard alle Hindernisse aus dem Weg, die seinem Griff nach der Krone im Weg stehen. Auch als König findet er keine Erfüllung. In der Nacht vor der entscheidenden Schlacht erscheinen ihm die Geister seiner Opfer im Traum. Ostermeiers Inszenierung verleiht dem Original eine düstere Wendung: Richard stirbt nicht auf dem Schlachtfeld, rufend nach einem Pferd, wie bei Shakespeare, sondern begeht, getrieben von Wahnsinn, Selbstmord. Doch Ostermeiers Richard III. ist mehr als das Porträt eines skrupellosen Machtmenschen. Es zeichnet ein Bild einer zutiefst zerrütteten Machtelite, deren innere Konflikte eine perverse Diktatur hervorbringen – ein Thema, das universell und auch heute erschreckend aktuell bleibt.

Eidinger zieht die Bühne an sich

Die Inszenierung ist modern. Sie kommt ohne die sprachliche Wucht, die Shakespeares Original ausmacht, aus, was jedoch die poetische Gewalt der Vorlage vermissen lässt. Die Magie des Bühnengeschehens speist sich zum Großteil aus der schauspielerischen Leistung, allen voran des Publikumslieblings Lars Eidinger, der seine emotional aufgeladenen Monologe meist ins silberne Mikrofon spricht, das an einer Schnur pendelnd von der Decke herabhängt. Sein Richard, zunächst mit einem angeschnallten Buckel und einer bizarren Haube aus schwarzem Leder, später als König in ein Korsett gezwängt, ist eine komplexe Figur: gekränkt, hässlich, enttäuscht von der Welt – und dennoch ein charismatischer Bösewicht mit brillanter Manipulationskunst, was ihn zugleich faszinierend und abstoßend macht. Eidinger beherrscht die Bühne souverän, mit einer ihm eigenen, intensiv körperlichen Präsenz und scheut auch provokante Momente wie einen Nacktauftritt nicht.

Doch auch das Ensemble verdient Anerkennung: Robert Beyer beeindruckt als verbitterte Alt-Königin Margaret, Thomas Bading überzeugt als Edward, und David Ruland zeigt in seinen Mehrfachrollen als Hastings, Brakenbury und Ratcliff eine bemerkenswerte Wandlungsfähigkeit. Zwar mag Eidingers Präsenz alles überstrahlen, doch es sind seine Mitspieler, die ihm erst die Grundlage liefern, seine Interpretation von Richard in voller Intensität zu entfalten.

Richard III., © Arno Declair
Richard III., © Arno Declair

Minimalismus trifft auf Dramatik

Die Bühne, gestaltet von Jan Pappelbaum, der an der Schaubühne bereits jede Menge Bühnenbilder für Ostermeier entworfen hat, ist schlicht und düster. Sie bleibt während der gesamten Aufführung nahezu unverändert – ein karges Setting, das perfekt zu der morbiden Atmosphäre des Stücks passt. Der Globus als Aufführungsstätte passt dazu ideal: Die kleinere Nebenbühne des Theaters mit nur acht steil ansteigenden Reihen sorgt für eine unmittelbare Nähe zum grausamen Geschehen auf der Bühne. Thomas Witte, der Schlagzeuger, kommentiert die Handlung live musikalisch – ein geschickter dramaturgischer Effekt. Seine elektronischen Klänge, dröhnend und dissonant, verstärken die emotionale Wucht der Szenen und unterstreichen den düsteren Grundtenor des Stücks – Misstrauen, Verrat, Hass und die Abgründe der menschlichen Natur.

Es bleibt ein kleines Mysterium, warum genau diese Inszenierung auch nach zehn Jahren die Menschen immer wieder in ihren Bann zieht. Kritiker bemängelten nach der Premiere 2015 angeblich flache Charaktere und übertriebene Effekte. Doch das Publikum strömt weiterhin in die Schaubühne – vielleicht gerade, weil Richard III. ein so intensives Theatererlebnis bietet, das sich kaum in Worte fassen lässt.

Nach der Vorstellung: Standing Ovations für das Ensemble
Nach der Vorstellung: Standing Ovations für das Ensemble

 

Richard III.

von William Shakespeare

Übersetzung und Fassung von Marius von Mayenburg

Regie: Thomas Ostermeier

Premiere am 7. Februar 2015

https://www.schaubuehne.de

 

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