Valletta, Maltas Hauptstadt © VisitMalta
Valletta, Maltas Hauptstadt © VisitMalta

Von Birgu und Valletta bis Gozo: Maltas maritime Seele


Von Svetlana Alexeeva

 

Ob für einen Kurzurlaub oder eine längere Erkundungstour – Malta ist nicht nur gut erreichbar, sondern durch seine kompakte Größe ein wunderbares Reiseziel. Geschichts- und Kulturinteressierte, Sonnenanbeter und Wassersportler kommen hier gleichermaßen auf ihre Kosten. Wer ein paar Tage mehr Zeit mitbringt, kann mit der Fähre nach Gozo und Comino übersetzen. 

Phönizier, Araber, Ritter des Johanniterordens, die Briten – über Jahrhunderte war es Maltas Lage im Herzen des Mittelmeers, die seine strategische Bedeutung begründete. Die Insel war stets ein Drehkreuz für Handel und Logistik. Vor dem Bau des Suezkanals 1869 mussten Schiffe aus Indien oder von der Arabischen Halbinsel auf ihrem Weg nach Europa lange Umwege in Kauf nehmen. Malta bot sich als Zwischenstopp für Proviant und Reparaturen an. Nur 90 Kilometer von Sizilien und etwa 300 Kilometer von Nordafrika entfernt, war Malta ein Schlüsselort für Seemächte wie Großbritannien, Frankreich und das Osmanische Reich. Jahrhundertelang wetteiferten sie um die Kontrolle über Malta, um Handelsrouten zu sichern und ihre Präsenz im Mittelmeer auszubauen.

Malta Biennale: Neuer Blick auf maltesische Identität

Doch Maltas Geschichte nur aus der Perspektive von Besatzungsmächten zu erzählen, greift zu kurz. Dagegen offenbart eine mehrdimensionale Betrachtung prompt andere Aspekte – Anpassungsstrategien und Interaktionen der einheimischen Bevölkerung mit den Fremdherrschern – etwa mit den Johannitern ab 1530 oder später den Briten. Das koloniale Erbe ist für die heutige Generation ein Thema. Kein Zufall, dass die erste Malta Biennale 2024 unter dem Motto „Decolonising Malta: Polyphony is us.“ stand. Die Botschaft war klar: Malta ist mehr als ein Schmelztiegel kolonialer Einflüsse. Ein besonders prägnantes Beispiel ist die Sprache: Ständiges Code-Switching zwischen Englisch und Maltesisch, einer einzigartigen semitischen Sprache, die arabische und sizilianische Einflüsse vereint, ist Ausdruck dieser kulturellen Synthese.

Grand Harbour und The Three Cities

Maltas historisches Erbe ist allgegenwärtig. Mit oder ohne „Kolonialbrille“ – die Johanniterritter und die Briten hinterließen eindrucksvolle zivilisatorische Leistung. Dieser Gedanke drängt sich auf, wenn man von den Upper Barrakka Gardens den Blick über den Grand Harbour schweifen lässt. Gegenüber schimmern in der Abendsonne die goldfarbenen Bauten der Drei Städte – Vittoriosa (Birgu), Cospicua und Senglea – während in der Hafenbucht ein reges Treiben von Fähren, Yachten und Fischerbooten herrscht.

Fort St Angelo, Birgu, Malta © VisitMalta
Fort St Angelo, Birgu © VisitMalta

Ein Abstecher zu den Three Cities lohnt sich. Sie bewahren noch ihren ursprünglichen Charme. Enge Gassen mit historischen Fassaden führen zur Waterfront, wo restaurierte Paläste und die Marina Grande zum Verweilen einladen – mit Blick auf das majestätisch auf der Anhöhe thronende Valletta. Man gelangt nach Birgu zum Fort St. Angelo in nur zehn Minuten mit der Fähre oder der traditionellen Dgħajsa – einem maltesischen Holzboot. Die Festung wurde ab 1530 der erste Sitz der Johanniter, nachdem Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, ihnen Malta überlassen hatte – mit der Bedingung, die Insel gegen die Osmanen zu verteidigen und den christlichen Handel zu sichern. Nach der Großen Belagerung 1565 beschlossen die Ritter, auf der strategisch günstigen Halbinsel zwischen Grand Harbour und Marsamxett Harbour gegenüber eine neue Stadt zu errichten: Valletta, benannt nach Großmeister Jean Parisot de la Valette. Mit Unterstützung des Vatikans und anderer Wohltäter wuchs Valletta bald zu einer der stärksten Festungen des Mittelmeers heran.

Die Briten auf Malta

Das wohl Auffälligste an der maltesischen Hauptstadt: Überall finden sich Spuren der britischen Kolonialzeit – der allerdings ein kurzes französisches Intermezzo vorausging. 1798 eroberte Napoleon Bonaparte Malta auf dem Weg nach Ägypten. Doch die Malteser lehnten die neue Herrschaft ab, vor allem wegen der Plünderung von Kirchen zur Kriegsfinanzierung. Unterstützung fanden sie bei Großbritannien. Britische Truppen unter Admiral Nelson belagerten Valletta zwei Jahre lang. 1800 mussten die Franzosen kapitulierten. Unter britischer Kontrolle wurde Malta zum zentralen Stützpunkt der Royal Navy, der Grand Harbour zur wichtigsten britischen Marinebasis im Mittelmeer. Doch mit der Zeit wuchsen die Spannungen. 1919 kam es zu Protesten, bei denen britische Soldaten auf friedliche Demonstranten schossen. Der Widerstand zahlte sich aus: Großbritannien gewährte Malta weitgehende Selbstverwaltungsrechte. 

Britisches Erbe in Valletta: Rote Telefonzellen
Britisches Erbe auf Malta: Rote Telefonzellen

Im Zweiten Weltkrieg war die Insel massiven Bombenangriffen der Achsenmächte ausgesetzt, die die Nachschublinien der Alliierten zwischen Europa und Nordafrika unterbrechen wollten. Erst 1964 wurde Malta unabhängig und zehn Jahre später eine parlamentarische Republik, die dem Commonwealth angehört. Das britische Erbe ist bis heute sichtbar: Englisch ist eine Amtssprache, es gilt Linksverkehr, und rote Telefonzellen, Briefkästen mit den Insignien des britischen Königshauses sowie ganze Straßenzüge im vornehmen Townhouse-Stil in Sliema, Gzira und St. Julian's erinnern an die gemeinsame Vergangenheit.

Valletta heute – Eine Stadt voller Kontraste

Umgeben von mächtigen Bastionen, geprägt von barocker Pracht und britischer Kolonialarchitektur, steht Valletta sinnbildlich für Maltas bewegte Geschichte. Seit 1980 UNESCO-Weltkulturerbe, ist die Stadt jedoch kein Freilichtmuseum – sie pulsiert vor Leben. Malerische Cafés, eine lebendige Kulturszene und eine Universität mit 12.000 Studierenden halten die Stadt quirlig und jung. Kaum vorstellbar, dass sie einst unter den streng gläubigen Rittern eine abgeriegelte Stadt war, zu der die lokale Bevölkerung keinen Zutritt hatte.

Heute betritt man Valletta durch das City Gate über eine Brücke, die den Stadtgraben überspannt. Ein Schild weist auf den Commonwealth Path hin, ein Netzwerk von Spazierwegen in 56 Commonwealth-Staaten. Gleich hinter dem Stadttor sticht ein moderner monumentaler Bau mit schlanken Säulen ins Auge: Es ist das neue Parlamentsgebäude, realisiert 2015 vom italienischen Stararchitekten Renzo Piano. Der Bau ist Teil des „City Gate“-Projekts, das auch die Umgestaltung des Stadtgrabens zu einem Park und den Bau eines Open-Air-Theaters an der Stelle der im Krieg zerstörten Royal Opera umfasste. Viele Malteser empfanden die modernen Elemente als Traditionsbruch. Doch Piano setzte sich intensiv mit Maltas Geschichte auseinander und griff historische Bezüge auf. 

Das neue Parlamentsgebäude (2015) von Renzo Piano in Valletta
Das neue Parlamentsgebäude (2015) von Renzo Piano

Valletta lässt sich am besten zu Fuß erkunden. Die im Schachbrettmuster angelegten Straßen, ähnlich wie in New York, lassen die Meeresbrise auch im heißen Sommer durch die Stadt strömen. Man kann einfach flanieren, doch der Großmeisterpalast und die Konkathedrale St. John’s sind ein Muss. Der Großmeisterpalast beeindruckt nach aufwendiger Renovierung mit prunkvollen Sälen mit mittelalterlicher Ritterausrüstung – darunter Kettenhemden und Brustpanzer aus Plattenharnisch – und einer gut bestückten Waffenkammer. Ein kurzer Fußweg führt zur St. John’s Co-Cathedral. Erbaut 1577, ist es ein barockes Wahrzeichen der Stadt. Im Inneren erwarten Besucher prächtige Fresken, kunstvolle Marmorböden, goldverzierte Gewölbe – und Caravaggios Meisterwerk „Die Enthauptung Johannes des Täufers“ (1608). Das über fünf Meter breite Gemälde gilt als eines der bedeutendsten Werke der westlichen Welt. 

Mdina, die „stille Stadt“

Valletta hat sich gewandelt – von einer hermetisch abgeriegelten Festung zu einer offenen Stadt, die ihre Geschichte bewahrt, ohne in ihr stehenzubleiben. Mdina hingegen trägt den Beinamen „stille Stadt“. Hoch auf einem Plateau im Zentrum der Insel gelegen, war die einstige Hauptstadt Maltas über 4.000 Jahre lang ein Schauplatz der Menschheitsgeschichte. Phönizier, Römer, Araber, Normannen hinterließen hier ihre Spuren. Nach der Eroberung 870 errichteten die Araber eine starke Festungsmauer und Bastionen, um die Stadt zu schützen. Mdina hat ein ganz besonderes Flair: Enge, gewundene Straßen erinnern an orientalische Medinas, die jedoch mit mittelalterlichen und barocken Gebäuden bebaut sind. Der arabische Einfluss ist auch im angrenzenden Rabat, dem einstigen Vorort, noch spürbar.

Fischerdorf mit Geschichte: Marsaxlokk

Nur eine halbe Autostunde südöstlich von Valletta liegt Marsaxlokk, ein malerischer Küstenort, bekannt für seine bunten Luzzu-Boote und den Sonntagsmarkt. Die Hafengaststätten servieren fangfrischen Fisch, und bei gutem Wetter starten Bootstouren zu den nahen Forts St. Lucian und Delimara. Marsaxlokk spielte dank seines Naturhafens oft eine Schlüsselrolle in Maltas Geschichte. Hier landeten die Osmanen 1565, auch Napoleons Truppen 1798. Im Zweiten Weltkrieg diente der Hafen als Basis der Fleet Air Arm der britischen Marine. Und 1989 schrieb Marsaxlokk Geschichte, als auf einem in seinem Hafen ankernden Schiff das Gipfeltreffen zwischen US-Präsident George H.W. Bush und Sowjetführer Michail Gorbatschow stattfand – ein Moment, der das Ende des Kalten Krieges einleitete.

Im Hafen von Marsaxlokk
Im Hafen von Marsaxlokk

Die Schwesterinseln Gozo und Comino

Ein vollständiges Bild von Malta ergibt sich wohl erst nach einem Ausflug zu den Schwesterinseln Gozo und Comino, die mit der Fähre von Ċirkewwa oder per Schnellboot von Valletta und Sliema zu erreichen sind. Gozo ist grüner, ländlicher und ruhiger als Malta. Landwirtschaft, Fischfang und Handwerk prägen das Leben. Viele Malteser machen oft einen Kurzurlaub bei den Gozitanern – schon bei der Ankunft im Hafen von Mġarr scheinen die Uhren langsamer zu gehen. Neben der Zitadelle, einer historischen Bastionsstadt, deren Ursprünge bis 1500 v. Chr. zurückreichen, sind die prähistorischen Ġgantija-Tempel eine absolute Sehenswürdigkeit. Diese über 5000 Jahre alten Megalithanlagen sind älter als die Pyramiden Ägyptens oder Stonehenge, und ein Beweis für die jahrtausendealte Besiedlung des Archipels.

Von Gozo ist es nicht weit nach Comino, der kleinsten bewohnten Insel Maltas. Die zerklüftete Küste mit ihren Kalksteinklippen und Höhlen beherbergt die berühmte Blaue Lagune, deren türkisfarbenes Wasser sie zu einem der schönsten Bade- und Schnorchelspots des Mittelmeers macht. Wer eine sportliche Alternative zur Fähre sucht, kann mit dem Kajak nach Comino paddeln. In der Hondoq-Bucht auf Gozo gibt es zahlreiche Wassersportanbieter, die auf Seekajak-Touren spezialisiert sind.

Buchten in Kajak entdecken © VisitMalta
Buchten im Kajak entdecken © VisitMalta

Maltas kulinarisches Erbe

Die maltesische Küche ist ein Spiegel der Geschichte des Inselstaates: Italienische und arabische Einflüsse verschmelzen mit lokalen Traditionen zu einer kreativen Fusion. Unbedingt probieren sollte man Fenek Stuffat – ein Kaninchengericht, geschmort in einer würzigen Tomaten-Wein-Sauce, oft auch in einer Variante mit Oktopus serviert. Typisch sind auch Pastizzi – kleine Blätterteigtaschen, gefüllt mit Erbsenpüree oder Ricotta. Ob in gehobenen Restaurants oder an Straßenecken – sie sind überall zu finden. Weinliebhabern sind maltesische Weine sehr zu empfehlen. Boutique-Weingüter wie Marsovin produzieren Spitzenweine in kleinen Mengen. Weißweine aus Girgentina-Trauben zeichnen sich durch fruchtige Noten und eine angenehme Säure aus, während die Rotweinsorte Gellewża für ihre intensive, würzige Aromatik bekannt ist.

Malta ist ein Mosaik – aus Geschichte und Gegenwart, geformt von seinem maritimen Schicksal. Jeder Blick auf die Insel offenbart ein neues Detail, doch stets bleibt das Meer der prägende Faktor. Bis heute ist Malta mit seinem Freeport, einem der größten Transshipment-Hubs im Mittelmeer, ein globaler Knotenpunkt der Logistik – und zugleich ein Ort, an dem Meer, Sonne rund ums Jahr und mediterrane Lebensart zu einem einzigartigen Reiseerlebnis verschmelzen.

 


Diese Reise wurde unterstützt von VisitMalta (Malta Tourism Authority).

INFORMATIONEN

Kontakt zur Autorin: Svetlana.Alexeeva@digital-insight.de

 


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